Das African Continental Free Trade Agreement (AfCFTA), das mit 54 afrikanischen Staaten größte Freihandelsabkommen der Welt, wurde 2021 mit dem Ziel einer verbesserten Handelsintegration des Kontinents eingeführt. Zuvor erschwerten nicht nur hohe Zollabgaben zwischen den afrikanischen Ländern den pan-afrikanischen Handel, sondern auch der bevorzugte Handel mit extraregionalen Partnern. Die EU ist seit 1995 mit einem Drittel des Güterhandels der wichtigste Handelspartner der Region, gefolgt von China und den USA. Vor allem die Abhängigkeit durch Rohstoff- und Agrarexporte nach Europa sowie der Import von Lebensmittelerzeugnissen und Industriegütern führten dazu, dass der intra-afrikanische Güterhandel lediglich 0,36 % des Welthandels abbildete. Der Zusammenbruch der Inlandsproduktion von Industriegütern führte zu enormer Armut, was wiederum im Kreislauf der Abhängigkeit mehr Import und steigende interkontinentale Wirtschaftsbeziehungen zur Folge hatte. Neben hohen Zollabgaben erschwerten auch bürokratische Hürden und Korruption, lange Wartezeiten an den Grenzen oder hinderliche Ausfuhrbestimmungen den intra-afrikanischen Markt. Laut der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika (UNECA) wird durch die Diversifizierung der afrikanischen Wirtschaft der innerafrikanische Handel in diesem Jahr um 52 % steigen.
Das Freihandelsabkommen leistet einen bedeutenden Schritt für die Umsetzung der Agenda 2030 auf dem zweit-bevölkerungsreichsten Kontinent mit seinen 1,3 Milliarden Menschen. Die Ziele, eine nachhaltige und integrative Entwicklung zu fördern sowie die Gleichstellung der Geschlechter und einen Strukturwandel in den Mitgliedstaaten zu erreichen, sind wichtiger Bestandteil des Abkommens. Die Weltbank prognostiziert, dass die neue Freihandelszone 30 Millionen Menschen aus der Armut holen sowie das Bruttoinlandsprodukt des Kontinents um 450 Milliarden US-Dollar steigern wird. Durch die Marktliberalisierung innerhalb Afrikas wird zudem gefördert, dass dank regionalem statt interkontinentalem Güterverkehr weniger CO2-Emissionen erzeugt werden. Die COVID-19-Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig Selbstversorgung und der Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten auf dem Kontinent sind. Dieses Momentum ist eine Chance, nach der Pandemie als ein gestärktes und geeintes Afrika für extraregionale Partner auf der Weltbühne zu erscheinen. Die oberste Prämisse aller Handelsbeziehungen sollte jedoch für die afrikanischen Länder die Erreichung der SDGs sein, vor allem SDG 1 „keine Armut“ und SDG 2 „keinen Hunger“.
Das Europäische Parlament veröffentlichte Anfang Juni den Entwurf eines ausführlichen Berichtes über die Zukunft der Handelbeziehungen zwischen der EU und Afrika, der in seiner Breite eindrucksvoll das Potential und die Chancen auch für die deutsche Wirtschaft deutlich macht. Insbesondere in Bezug auf die drängenden ökonomischen Fragen, die sich aus dem aktuellen politischen Zeitgeschehen ergeben – wie z.B. die Frage nach erneuerbarer und nachhaltiger Energieerzeugung zur Sicherung des deutschen Bedarfs angesichts der Ukrainekrise – zeigen sich hier deutlich die neuen und erweiterten Möglichkeiten zu für beide Seiten äußerst fruchtbaren Handelsdialogen und langfristigen Lösungen. Dem wirtschaftlichen Handeln Deutschlands und den deutschen Unternehmen steht damit ein historisch beispiellos starkes und wichtiges Afrika als Partner zur Seite.
Quellen:
Böschemeier, J. & Teti, F. A. (2021): Die panafrikanische Freihandelszone AfCFTA – Utopie oder reale Chance? Ifo Schnelldienst. Verfügbar unter: https://www.ifo.de/DocDL/sd-2021-10-boeschemeier-teti-afcfta.pdf
Der Entwurf des Berichts über die Zukunft der Handelbeziehungen zwischen der EU und Afrika stammt vom 03. Juni 2022 und kommt am 23. Juni 2022 zur Abstimmung. Verfügbar unter: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2022-0169_DE.html