Jedes Mal, wenn ich mit dem Uber fahre ist das erste Smalltalk-Thema, welche Wurzeln ich denn habe. Die Reaktionen, dass ich halb deutsch und halb kongolesisch bin, weichen zwischen Europa und Afrika stark ab. Wenn ich beispielsweise in Berlin den Kongo erwähne, erhalte ich in der Regel folgende Antwort: Ein mitleidender Blick und der Gedanke an Bürgerkrieg, Kindersoldaten und Ebola. In Johannesburg dagegen sind die ersten Assoziationen eine wunderschöne Natur und reich an Bodenschätzen wie Gold, Diamanten und Koltan.
Diese Reaktionen, die unterschiedlicher kaum sein könnten, spiegeln die aktuelle Situation im Kongo gut wieder: Ein Land mit großem Potential, aber auch mit großen Herausforderungen. Eines der größten Probleme ist die mangelnde Infrastruktur. Laut Weltbank haben beispielsweise im Kongo derzeit nur knapp 20 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität. Auch in der kongolesischen Politik steht die unzureichende Infrastruktur stark im Vordergrund. Schon in seinem Wahlkampf hat der amtierende Präsident Félix Tshisekedi dieses große Problem in Angriff genommen und der Bevölkerung den Aufbau von neuen Straßen versprochen. Dieses Wahlversprechen hat ihm sogar den Spitznamen „Béton“ gegeben, und der Bevölkerung große Hoffnung, dass sich vieles ändern wird. Denn es ist keine komplizierte Quantenphysik: Infrastruktur ist die Grundlage einer funktionierenden Volkswirtschaft. Sei es Stromversorgung, Straßenbau, Bildung, oder digitale Vernetzung. All das ist unabdinglich, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Doch wie schafft man es, ein so vielfältiges, aber auch kompliziertes Land wie den Kongo nachhaltig und effektiv aufzubauen?
Es scheint fast wie ein Teufelskreis: Viele internationale Firmen sind abgeschreckt, aufgrund der unsicheren Lage in den Kongo zu investieren. Solche Investitionen sind jedoch unausweichlich, um die Infrastruktur zu stärken, und damit auch die Wirtschaft zu stabilisieren. Daher ist es wichtig, dass nun auch von deutscher politischer Seite Schritte unternommen werden, um insbesondere die Privatwirtschaft mit einzugliedern und auch bei Investitionen zu unterstützen. Compact with Africa (CwA) ist daher ein interessanter Weg der G20 Staaten, diverse afrikanische Länder auch im internationalen Markt attraktiver zu machen. Initiiert unter der deutschen G20-Präsidentschaft, setzt sich CwA das Ziel, private Investitionen in Afrika, auch im Infrastrukturbereich, zu fördern. Auch wenn die demokratische Republik (noch) kein Mitgliedstaat ist, ist es ein richtiger Schritt, den bereits oben genannten Teufelskreis zu durchbrechen, den auch zahlreiche andere afrikanische Volkswirtschaften erleben. Auch Präsident Tshisekedi hat während seines Besuches in Berlin 2019 appelliert, den Kongo als einen Wirtschaftsstandort zu sehen und rief zu Investitionen in den Kongo auf.
Ein erster Schritt in Richtung Manifestation deutsch-kongolesischer Wirtschaftsbeziehung ist der Bau des Inga III Damms am Fluss Kongo. Hier will die Bundesregierung, geleitet von Kanzlerin Angela Merkels Afrikabeauftragtem Günter Nooke mit deutscher Technologie die kongolesische Energieversorgung und Klimaschutz miteinander kombinieren. Ziel ist es nämlich, den überschüssigen Wasserstoff wieder in Europa zu verwenden, um deutsche Klimaziele zu erreichen. Dennoch ist es wichtig bei solchen internationalen Projekten, neue Ansätze in Anbetracht zu ziehen und sich langsam von der klassischen Entwicklungshilfe abzuwenden, und den Privatsektor von allen beteiligten Ländern stärker mizeinzubeziehen. Denn es ist ein schmaler Grat zwischen wirtschaftlicher Förderung, und Marktverzerrung bzw. weiterer Abhängigkeit von Europa. Die Covid-19 Pandemie hat uns auch hier in Europa gezeigt, wie wichtig eine stabile Wirtschaft, aber auch internationale Zusammenarbeit ist, um Krisen zu überstehen.
Ich sehe gespannt auf die zukünftigen Ergebnisse des Inga III Damms. Es ist ein interessanter Ansatz, um die deutsch-kongolesischen Wirtschaftsbeziehungen zu stärken und den deutschen Privatsektor in den kongolesischen Markt zu integrieren. Es ist stark zu hoffen, dass dieses Projekt sowohl der Bundesrepublik als auch der Demokratischen Republik Kongo zugutekommt, und dass sich eine nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe daraus entwickeln lässt.
Mit Projekten wie diesen hoffe ich, dass sich auch hier in Deutschland der Blick auf den Kongo ändert. Hoffentlich wird dann im Uber auch hier Deutschland die erste Assoziation mit dem Kongo positiv sein. Nämlich ein Land mit unendlichem Reichtum und großem Potential.